Tagung

Gestaltung von Klangwelten
Zur Aktualität von Bauhaus-Konzepten für Sound-Design und auditive Architektur

Internationale Tagung
Weimar, Goethe-Nationalmuseum, 20. und 21. September 2019
Organisation: Prof. Dr. Martin Pfleiderer, Dr. Fabian Czolbe,
Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena,
Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar

Die Gestaltung von Klängen und Klangwelten ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Fokus von Architekten und Stadtplanern, Audio-Designern und Musikproduzenten sowie historischer und kulturwissenschaftlicher Forschung gerückt. Dabei sind neue Forschungs- und Praxisfelder entstanden, in denen etwa die Geschichte der Klänge und Klangtechnologien, urbane und ländliche Klanglandschaften (‚Soundscapes‘) und deren Klangökologie, das auditive Design von alltäglichen Lebensräumen und Konsumprodukten sowie die künstlerische Gestaltung von Klang in Film, Musik und Kunst untersucht werden.

Auch wenn sich die führenden Akteure des Bauhauses in ihren Schriften nur indirekt mit Fragen einer klanglichen Gestaltung der menschlichen Lebenswelt beschäftigt haben, scheinen ihre Ansätze und Konzepte bis heute in diesen Forschungs- und Praxisfeldern der Klanggestaltung durch. Aus Anlass des 100jährigen Jubiläums der Gründung des Bauhauses in Weimar stellt sich die interdisziplinäre Tagung die Aufgabe, die Bauhaus-Konzepte von Architektur, Design und Gestaltung auf ihre Bedeutung für aktuelle Entwicklungen in auditiver Raumgestaltung und Architektur, Audio-Design, Musikproduktion und Klangkunst zu befragen.


Programmflyer (PDF)



Eröffnung

Donnerstag, 19. September, 18:00-20:00 Uhr
Akustische Raumdiagonalen. Eine künstlerische Intervention – Kirsten Reese, Berlin
Abstract und Bio

Akustische Raumdiagonalen (eine künstlerische Intervention) – Kirsten Reese, Berlin

Ohr und Hörsinn sind die Basis unserer räumlichen Orientierung. War diese im Anbeginn des Menschwerdens noch existenziell bedeutsam, wenn sie etwa die Entfernung von Gefahren anzeigt oder schwer erkennbare Raumkonstitutionen erahnen lässt, so wird sie im Zeitalter des Anthropozäns mehr und mehr zur gestalteten, ja funktionalisierten Umwelt. Die Komponistin und Klangkünstlerin Kirsten Reese setzt sich in ihren Arbeiten immer wieder mit Fragen nach der veränderten Raumwahrnehmung durch Klang auseinander. Wie beeinflusst Klang die Raumwahrnehmung und wie lässt sich ein Raum akustisch gestalten? Wie prägt das Zusammenwirken von Hören, Sehen und Bewegen die konkret sinnliche Erfahrung?

Da diese Fragen nicht nur im wissenschaftlichen Rahmen der Tagung diskutiert werden sollen, führt uns die Intervention Kisten Reeses an den Gründungsort des Bauhauses, das Kunstschulgebäude und das heutige Hauptgebäude der Universität (Geschwister-Scholl-Straße 8), und macht dort gestaltete Klangwelten in raumspezifischen Kontexten erlebbar. So werden etwa das Treppenhaus und der Flur im Hauptgebäude mit ihren visuellen und räumlichen Dynamiken mit neuen Klängen konfrontiert. Der Besucher bewegt sich dabei mit mobilen Lautsprechern durch die besondere architektonische Umgebung und trifft auf Klanglandschaften, die Raumdynamiken aufgreifen, weitertragen oder kontrastierend in Frage stellen. Der Hörer wird dabei selbst zum Gestalter, in dem er die von der Künstlerin arrangierten und komponierten Klänge durch die Räume bewegt. Die Hörer werden mit tragbaren Lautsprechern ausgestattet einer Choreographie folgen, die verschiedene Klangwelten im architektonischen Raum erzeugt. Originalaufnahmen der Außenwelt treffen auf komponierte Sequenzen und tragen damit akustische Außenräume in den Innenraum. Beide leuchten die Architektur akustisch unterschiedlich aus.

Die Fragen nach den Möglichkeiten und Konsequenzen der Klanggestaltung an spezifischen Orten wird damit aus der wissenschaftlichen Reflexion in die sinnliche Erfahrung getragen. Dass Raum und Klang spannungsreiche und kreative Interaktionen eingehen, war bereits den Akteuren am Bauhaus vor 100 Jahren klar. Im Rahmen des Bauhaus-Jubiläums zeigt die unsere Tagung begleitende Arbeit von Kirsten Reese, wie dieses Zusammenspiel heute gestaltet werden kann. Die Klangintervention wird die Tagung eröffnen (Donnerstag, 18 Uhr) und steht am Freitagabend (18-20 Uhr) sowie Samstagnachmittag (14-16 Uhr) allen Interessierten zur eigenständigen Erkundung offen.

Kirsten Reese studierte Flöte, elektronische Musik und Komposition in Berlin und New York. Eine hervorgehobene Rolle in ihren Kompositionen für elektronische Medien und Instrumente sowie intermedialen Installationen spielen raum- und wahrnehmungsbezogene sowie performative und narrative Aspekte. Kompositionen für Landschaften und den urbanen Außenraum bilden einen Schwerpunkt ihrer Arbeit, ebenso Werke mit dokumentarischem oder Archivmaterial, sowie Arbeiten, die die Historizität von medialen Instrumenten thematisieren. Zahlreiche Stipendien und Preise und Aufführungen bei internationalen Festivals (Eclat, Wien modern, Heroines of Sound, Kunstfest Weimar, Donaueschinger Musiktage, Wittener Tage für neue Kammermusik, u.a.). Kirsten Reese unterrichtet elektroakustische Komposition an der UdK Berlin.


Treppenhaus des Hauptgebäudes der Bauhaus-Universität, Geschwister-Scholl-Straße 8, 99423 Weimar

Weitere Öffnungszeiten:
Freitag, 20. September, 18:00-20:00 Uhr
Samstag, 21. September, 14:00-16:00 Uhr

Programm

Freitag, 20. September 2019

9:00-9:30 Uhr | Martin Pfleiderer, Fabian Czolbe, Weimar
Einführung
Bio

Fabian Czolbe (*1981) ist Musikwissenschaftler und promovierte über Aspekte der Schriftbildlichkeit in kompositorischen Skizzen des 20. Jahrhunderts. Er ist derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena (Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar), lehrte u.a. in Berlin und Oldenburg, arbeitet als freier Musikjournalist/-kritiker, wirkte als Dramaturg und Akteur an verschiedenen Musiktheaterinszenierungen sowie szenisch-musikalischen Abenden mit und entwickelte für Museen sowie unterschiedliche Konzertformate Vermittlungskonzepte. Schwerpunkte der Forschung bilden die Musik und das Musiktheater des 20./21. Jahrhunderts, experimentelle/improvisierte Musik, instrumentales Theater, Klangkunst/Klangperformance, Ästhetik, Notation und kompositorische Schaffensprozesse.

Martin Pfleiderer (geb. 1967) studierte Musikwissenschaft, Philosophie und Soziologie an der Universität Gießen (1988-93), wo er 1998 promoviert wurde. Von 1999-2005 war er wissenschaftlicher Assistent für systematische Musikwissenschaft an der Universität Hamburg. Nach seiner Habilitation (2006) und mehreren Gastdozenturen ist er seit 2009 Professor für Geschichte des Jazz und der populären Musik an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar. Seine Forschung konzentriert sich auf die Geschichte, Analyse und Ästhetik von Jazz und populärer Musik (insbesondere im Blick auf Rhythmus, Gesang und Improvisation), Musiksoziologie und Computational Musicology.


9:30-10:15 Uhr | Ita Heinze-Greenberg, Zürich
Architektur, Klang und Rhythmus am Bauhaus
Abstract und Bio

Auf dem ikonischen Foto von Hannes Meyers «co-op interieur», mit dem der Architekt 1926 den Wohnraum der «Neuen Welt» vorstellte, steht als auffälligstes Objekt zentral im Bild ein Grammophon. Mit grossem Trichter auf hölzerner Box nimmt es sich in der ansonsten rigoros spartanischen, auf das Nötigste reduzierten Einrichtung wie ein späthistoristisches, bourgeoises Überbleibsel aus. Ein Zugeständnis an den Genuss von «Unnötigem»? Wohl kaum. Meyer selbst reihte den Plattenspieler zusammen mit Klappstuhl, Rollpult, Glühbirne und Badewanne unter die «Apparate der Mechanisierung unseres Tageslebens» ein. Das Grammophon als Inbegriff technisch reproduzierbarer Klänge gewöhne «unser Ohr an das Geräusch unpersönlich-mechanisierter Rhythmen». Für Meyer existierte zwischen Ton und Farbe nur eine «graduelle Differenz der Schwingungszahl»; dementsprechend erklärte er die «Grenzen zwischen Malerei, Mathematik und Musik» für aufgehoben.
Über das zentral platzierte Grammophon hinaus ist nichts über eine dezidiert enge Verbindung Meyers zur Tonkunst bekannt. Im Unterschied etwa zu ihrem Berliner Kollegen Erich Mendelsohn spielte die Musik bei allen drei Bauhausdirektoren keine Rolle als unmittelbare Inspiration für den architektonischen Entwurf. Doch wenn Walter Gropius im Manifest von 1919 das Gesamtkunstwerk in Form einer Kathedrale der Zukunft beschwor, so musste in dieser Vision die Klangkunst inbegriffen sein. Obgleich nicht als eigenes Unterrichtsfach im Curriculum vorgesehen, so war sie ohne Zweifel von zentraler Bedeutung für die holistische Gestaltungslehre am Bauhaus.
Über die vom Malertrio Klee, Kandinsky, Feininger betriebene Beschäftigung mit Synästhesie hinaus versprechen vor allem die rhythmische Erziehung von Gertrud Grunow, Oskar Schlemmers Bühnenarbeiten sowie Laszlo Moholy-Nagys Entwürfe für ein Totaltheater neue Aufschlüsse über die am Bauhaus erforschten und umgesetzten Relationen zwischen Klang und Raum sowie zwischen Bewegung und Rhythmus. Der Vortrag zielt schliesslich auf Fragen, inwieweit das Hören von/in Räumen im Entwurf von Architektur am Bauhaus mitgedacht wurde sowie auf Aspekte der Rhythmisierung von Bauten bis in die Organisation von Baustellen als industrielle Taktstrassen.

Ita Heinze-Greenberg, PhD, ist eine Architekturhistorikerin, deren Forschung sich mit der Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts beschäftigt, mit Schwerpunkten auf Migrations- und Exilstudien, Nationenbildung und Identitätskonstruktion; sie war als Dozentin und Forscherin an verschiedenen Institutionen in Deutschland, Israel, den Niederlanden und Österreich tätig; 2016 erhielt sie eine Titularprofessur für die Geschichte der modernen Architektur am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich, Schweiz, wo sie auch für die Koordination des gta-Doktorandenprogramms verantwortlich zeichnet. Ihre neueste Veröffentlichung ist Die Europäische Mittelmeerakademie. Hendricus Th. Wijdeveld, Erich Mendelsohn und das Kunstschulprojekt an der Côte d’Azur (Zürich 2019).


10:15-11:00 Uhr | Brigitte Schulte-Fortkamp, André Fiebig, Berlin
Klangwelten – Interventionen und Erkenntnisse durch Soundscape
Abstract und Bio

Von der Soundscape Forschung lernen wir, dass die Klangwelt in ihrer Gestaltung ein Konstrukt der Wahrnehmung ist. Vielmehr noch, für Soundscape gilt die strukturalistische Definition von Holismus: Elemente eines Gegenstandsbereichs werden durch ihre wechselseitigen Beziehungen erklärt. Die holistische Zuschreibung bezogen auf die Bewertung der akustischen Umgebung erfordert nicht nur die Kontributionen der verschiedenen Disziplinen, sondern auch heterogene Untersuchungsfelder und Expertisen. Soundscape ist eine „akustische Umgebung, die durch eine Person oder durch eine Gruppe von Menschen im Kontext wahrgenommen, erfahren und/oder begriffen wird“- DIN-ISO 12913-1:2018-02. Als wesentlichstes Kriterium gilt, dass die Bewertung der Geräusche durch die Wahrnehmung gesteuert werden, und erst nach ihrer perzeptiven Zuordnung die physikalischen Messverfahren herangezogen werden. Mit Soundscape wird die Bedeutung von Geräuschen mit in den Kontext der Bewertung gezogen. Soundscape trägt so dazu bei, die impliziten Bewertungsmodalitäten mit einzubeziehen und damit der Bewertung grundsätzlich einen kognitiven Impact zu geben. Solche Bewertungsprozesse sind gesteuert durch perzeptuelle Effekte, die in diesen Verfahren das sogenannte Schlüsselelement sind. In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Soundscape Forschung immer mehr Zugang in die Konstruktion und Akustik von Umgebungen gefunden, und seit kurzem auch Aufmerksamkeit bei Politikern und Praktikern geweckt insbesondere bezogen auf die Gestaltung urbaner Bereiche. Wenn wir über Soundscape Verfahren sprechen, reden wir über einen Paradigmenwechsel im Bereich der Evaluation von akustischen Umgebungen unter Einbeziehung lokaler Expertise. Das Konzept Soundscape setzt auf Partizipation und Kokreation unter den Beteiligten. Wesentlich ist, eine Plattform bereitzustellen, die die Kooperation gewährleisten kann durch entsprechende Kommunikationsformen und Informationsstrategien. Der Holismus im Konzept Soundscape stellt in diesem Kontext die Methoden und ihre Umsetzung bereit, die Konstellation “Mensch -Akustische Umwelt- Kontext” in ihren Abhängigkeiten zu erfassen und richtet sich dabei auf die Erhaltung und Steigerung der Lebensqualität.

Brigitte Schulte-Fortkamp ist Professorin (retired) für Psychoakustik und Lärmwirkung an der Technischen Universität Berlin. Sie ist Fellow der ASA (Acoustical Society of America) und war für viele Jahre Associate Editor in Noise für die JASA (Journal of the Acoustical Society of America). U.A. war sie Vize-Präsidentin der ASA von 2011-2012. Zurzeit ist sie Vize-Präsidentin der EAA (European Acoustics Association) und im Vorstand der DEGA (Deutsche Gesellschaft für Akustik). 2010 wurde sie mit dem Hear the World Foundation Award ausgezeichnet, 2012 mit dem European Soundscape Award. Neben mehr als 200 Publikationen hat sie zusammen mit Prof. Jian Kang (London) 2016 das Buch „Soundscape and the built environment“ herausgegeben.

André Fiebig studierte und promovierte an der Technischen Universität Berlin im Bereich der Akustik bzw. der Psychoakustik. Er arbeitete von 2005 bis 2018 bei der HEAD acoustics GmbH in Herzogenrath an diversen Themen der Akustik, Psychoakustik und Geräuschoptimierung und leitete dort die Abteilung „Geräuschwahrnehmung und Geräuschbewertung NVH“.
Seit Januar 2019 ist er Gastprofessor am Institut für Strömungsmechanik und Technische Akustik (ISTA) der Technischen Universität Berlin und ist dort für das Fachgebiet „Psychoakustik“ verantwortlich. Seit 2016 ist er Vorsitzender des DEGA Fachausschusses „Lärm: Wirkungen und Schutz“. Darüber hinaus ist er Mitglied im Redaktionsbeirat des „Akustik Journal“ der DEGA. Auch bei der European Acoustics Association (EAA) ist er als Vice Chair im Technical Committee „Noise“ aktiv. Darüber hinaus ist er seit 2018 gewählter Director at Large in der I-INCE. Er ist in verschiedenen Arbeitsgruppen der nationalen und internationalen Standardisierung involviert, u.a. aktuell als Projektleiter der ISO/TS 12913-3 (Soundscape).
Seine Forschungsschwerpunkte sind die vielfältigen Wirkungen von Geräuschen auf den Menschen mit den spezifischen Schwerpunkten „Soundscape“, „Psychoakustik“ und „kognitive Reizintegration“.


Kaffeepause

11:30-12:15 Uhr | Thomas Kusitzky, Berlin
Den Klang der Stadt gestalten
Abstract und Bio

Unter den Vorzeichen eines gesellschaftlichen und technischen Wandels trat im frühen 20. Jahrhundert das Bauhaus an, Gestaltung von Grund auf neu zu denken. Mit fortschrittlichen Ideen zu Lehre, Abläufen, Ästhetik und auch Sozialem ist das Bauhaus bis heute prägend. Ein Aspekt blieb dabei allerdings weitgehend unbeachtet: Der Klang. Doch dessen Berücksichtigung wird gerade im Zuge aktueller Umwälzungen in der Mobilität, im städtischem Miteinander und in der Technik zunehmend dringend. Elektroantriebe und alternative Verkehrskonzepte werden in den kommenden Jahren die hörbare städtische Umwelt massiv verändern. Die Verdichtung der Städte durch einen ungebrochenen Zuzug in die Metropolen, der anhaltende Trend zur Nutzungsmischung sowie neue Formen des Zusammenlebens, die nicht zuletzt dem demographischen Wandel geschuldet sind, führen zu klanglich herausfordernden Situationen, die zu meistern sind. Auch die digitale Revolution bringt zu berücksichtigende Veränderungen mit sich. So beeinflusst z.B. digitale, mobile Technik die Art und Weise des Sprechens in der Öffentlichkeit, den Charakter und die Häufigkeit von Signaltönen und allgemein die Beschallungsmöglichkeiten.
Obwohl der Klang beim Bauhaus keine Rolle spielte – von rein musikalischen Experimenten abgesehen – können dessen umfassender Gestaltungsansatz und die Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten, für ein Stadtklanggestalten als Inspiration und Orientierung dienen. Ausgehend von der Erkenntnis der Dringlichkeit, die auditive Dimension bei städtischen Planungs- und Entwicklungsprozessen mit zu berücksichtigen, zeigt Kusitzky in seinem Beitrag auf, welche die notwendigen Voraussetzungen und wesentlichen Merkmale einer Stadtklanggestaltung sind, um daraufhin zu überlegen, was sich in diesem Zusammenhang vom Bauhaus lernen lässt.

Thomas Kusitzky ist seit vielen Jahren Forscher und Berater in den Bereichen Auditive Architektur und Auditive Stadtplanung. An der Universität der Künste Berlin leitete er mehrere Forschungsprojekte und unterrichtete zu diesen Themen. 2019 schloss er sein Promotionsprojekt „Stadtklanggestaltung“ an der Bauhaus-Universität Weimar ab. Kusitzky studierte Musik an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ und Sound Studies an der Universität der Künste Berlin.

www.kusitzky.com


12:15-13:00 Uhr | Jürgen Strauss, Bern
Architektur und akustische Gestaltung
Abstract und Bio

„Architektur und akustische Gestaltung“ umreißt ein Arbeits-, Forschungs- und Lehrgebiet, das gleichermaßen in der Theorie der Architektur und als musikalische Akustik im Bereich der Musiktheorie bisher nur wenig diskutiert wurde.
Ausgehend von der kunsttheoretischen Debatte um Gotthold Ephraim Lessings Laokoon soll der erste Teil des Beitrags zeigen, dass die dort vorgenommene Unterscheidung, von der darstellenden Kunst als Raumkunst einerseits und der Literatur sowie Musik als Zeitkünste andererseits, hin zu einer ästhetischen und technischen Unverbundenheit wahrnehmungsbezogen und baugeschichtlich nicht gegeben ist.
Diese wahrnehmungsbezogene Diskrepanz wird anschließend an Hand ausgewählter Texte, Bilder und Bauwerke für Musik und Sprache über einen historisch weiten Bogen gespannt und kritisch befragt. Es ist zu überlegen, in wie fern nicht etwa Chrysipps Zisterne (Schallwelle und Wasseroberflächenwelle), Vitruvs Theater (Akustische Reflexion, Vibration und Resonanz), Leonardo da Vincis Loco dove si predica / Loco per uldire messa, Athanasius Kirchers San Pietro und San Giacomo (Strahlengeometrie, Echo), die Bachkirche Arnstadts (Raumakustik: Musikalische Aufführungspraxis und Verständlichkeit von Sprache), das Festspielhaus Bayreuth (Oper, Festspiel, Kino), das MOMA Warschau (Eine akustisch schöne Planleiche) oder das MPI EAE ARTLAB (Forschungskonzertsaal und Tonregie – Architektur und digitale Fabrikation) Orte sind, die die akustische Gestaltung von grundauf bereits mitdenken.

Jürgen Strauss ist ausgebildeter Physiklaborant. Er ist Gründer und Inhaber der international tätigen STRAUSS ELEKTROAKUSTIK GMBH und der Firma STRAUSS RAUMAKUSTIK. Seine beruflichen Engagements erstrecken sich auf die Entwicklung und Produktion von Lautsprechern, Audioelektronik und den Entwurf von Konzepten der Raumakustik für Konzerträume und Musikstudios. In Zusammenarbeit mit der ETH / Z hat Jürgen Strauss an der Entwicklung akustischer Diffusoren und ihrer Anwendung in Konzertsälen, Büro- und Wohnräumen mitgearbeitet. Seine Forschungs- und Lehrtätigkeiten an der ETH / Z und der FH Bern, als auch seine Publikationen verbinden systematische und philosophisch-historische Fragestellungen zu den Themen „Architektur und Akustik“ und „Musik und Akustik“. Die Schwerpunkte seiner historisch orientierten Forschungen bilden die Lukrez Rezeption durch Vitruv, Athanasius Kirchers barocke Echopoetik und Joseph Haydns frühe Symphonien im Schuhschachtelkonzertsaal in Eisenstadt.

Ausbildung zum Physiklaborant; Landis & Gyr, 1981-85
Entwickler von Audioelektronik Pawel Acoustics, 1986-87
Entwicklungsleiter PIEGA SA, 1988-90
Selbständiger Erwerb, Entwicklungen im Bereich Elektroakustik, 1991-99
Gründer und CEO der STRAUSS ELEKTROAKUSTIK GMBH, 2000
Wissenschaftlicher Mitarbeiter (40 %) am ICST / ZHDK, 2005-07
Research Consultant ETH Zürich, Departement Architektur, seit 2006
Gründer und CEO der STRAUSS RAUMAKUSTIK, 2016
Lehrbeauftragter FH Bern, Departement Architektur, seit 2017
Lehrbeauftragter ETH / Zürich, Departement Architektur gta / ITA, ab 2019


Mittagspause

14:30-15:15 Uhr | Carolin Höfler, Köln
Unendliche Spiele. Von mechanischen Bühnenexperimenten zu interaktiven Live-Simulationen
Abstract und Bio

Der Beitrag setzt sich mit Spielformen auseinander, die auf der bewussten und nicht-bewussten menschlichen wie maschinellen Erzeugung von Klängen, Farben, Formen und Empfindungen beruhen. Der Bogen reicht von Bühnenexperimenten am Bauhaus bis zu computergenerierten Environments zeitgenössischer Medienkünstler und Spieleentwickler. Insbesondere die in den Spieldiskursen aufgerufenen Erwartungen der Kontrolle von Um- und Innenwelten verweisen auf die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion der sozio-politischen Zusammenhänge dieser Entwicklungen. Den ideologischen Rahmen hierfür lieferte etwa Walter Gropius, als er 1925 die Entpersonalisierung gestalterischer Prozesse und damit auch die Bildung eines ›Neuen Menschen‹ forderte: »Ich-Überwindung muß der Gestaltung vorangehen, damit die Form mehr als persönliche Geltung gewinnt«. Diesem nietzscheanischen Gedanken sollte nicht nur die »neue Bau-Gesinnung« im Zeitalter industrieller Massenproduktion, sondern auch die neue »Ton-Gesinnung« folgen. Mechanische Bühnenkompositionen, Spielapparate oder der Entwurf einer zeichnerischen Ritzschrift für Schallplatten waren fortan Gegenstände der Auseinandersetzung. In all diesen Versuchen manifestierte sich die Forderung einer kontrollierbaren Form- und Bewegungsorganisation. Generative Produktionsverfahren sollten die Präsenz des komponierenden Gestalters zurückdrängen und eine neue Ordnung der Klänge schaffen. Die Wirkungen dieser theoretischen Setzungen lassen sich in John Cages Kompositionen aus Zufallsgeräuschen ebenso nachverfolgen wie in Iannis Xenakis’ Kalkulationen im Spannungsfeld von Musik, Architektur und Mathematik. Beide verzichteten auf eine ordnende Kraft als zentrale Steuerungsinstanz. In diesem Sinne verweisen auch die computergenerierten Spielewelten von Ed Atkins, Ian Cheng oder David OReilly auf das Bauhaus und die Ansätze der 1950er und 60er Jahre. Zu ihren Arbeiten gehören Echtzeitsimulationen, die durch eine Abfolge miteinander verbundener Systeme gesteuert werden, welche von musikalischen Kompositionsprozessen inspiriert sind. Selbstlernende Algorithmen sorgen dafür, dass sich Bilder und Töne beständig ändern, und Figuren nie in gleicher Weise agieren. Gefangen in einem nicht enden wollenden Live-Loop – ohne narrative Handlung und ohne festgelegtes Ende –, legt der Anwender schließlich den Controller beiseite, und das Game spielt sich von selbst. Solche artifiziellen Welten, die auch ohne Betrachter und Zuhörer auskommen, haben einen mitreißenden und einen kritischen Zug. Umso drängender erscheint es, sie im Kontext von theatral-musikalischen Experimenten zwischen 1920 und 1970 zu reflektieren, die sich aus unterschiedlichen Gründen den neuen Medien zuwandten – sei es, um die Gestaltung zu objektivieren, die Rezeption zu demokratisieren oder um das Formenrepertoire zu erweitern.

Dr. Carolin Höfler ist Professorin für Designtheorie und -forschung an der Köln International School of Design der TH Köln und leitet dort die Forschungsstelle »Echtzeitstadt«. Sie studierte Kunstgeschichte, Neuere Deutsche Literatur und Theaterwissenschaft (Magister) sowie Architektur (TU Diplom) an den Universitäten in Köln, Wien und Berlin. 2009 promovierte sie mit der Arbeit »Form und Zeit. Computerbasiertes Entwerfen in der Architektur« an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bis 2013 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Mediales Entwerfen der TU Braunschweig. In Kollaboration mit »oza _studio for architecture and scenography« konzipierte sie Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen in der Bundeskunsthalle in Bonn, der Deutschen Kinemathek und im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors in Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Geschichte und Theorie des Entwerfens, Architektur und Bildwissenschaft, Räumlichkeit und Medialität sowie ephemerer Urbanismus.


15:15-16:00 Uhr | Hannes Raffaseder, St. Pölten
Audiodesign. Ein ganzheitlicher Ansatz für akustische Designprozesse in Wirtschaft, Gesellschaft und Kunst
Abstract und Bio

Audiodesign zielt auf die Gestaltung von Hörerlebnissen ab. Daher müssen die individuellen Hörer*innen mit ihren unterschiedlichen Hörerfahrungen und subjektiven Befindlichkeiten im Zentrum aller Überlegungen stehen und somit sowohl Ausgangs- als auch Endpunkt der Designprozesse bilden. Die sogenannte semantische Lücke zwischen technisch messbaren Schallereignissen und den von Menschen wahrgenommenen und im spezifischen Moment individuell erlebten Lautereignis stellt dabei die größte Herausforderung dar. Für die Überwindung dieser semantischen Lücke spielen die verschiedenen Ebenen der akustischen Wahrnehmung und die Wirkungs- und Bedeutungsebenen von akustischen Ereignissen eine wichtige Rolle. Außerdem muss der jeweilige Kontext berücksichtigt werden, in dem die akustischen Ereignisse gehört werden. Es geht beim Audiodesign daher weniger um die Gestaltung eines isoliert betrachteten Schallereignisses durch gezielte Beeinflussung von einzelnen technisch messbaren Parametern. Vielmehr analysiert Audiodesign zunächst die Eigenschaften und Wirkungen der gesamten akustischen Umwelt, die sich aus einer Vielzahl sich gegenseitig mitunter stark beeinflussenden akustischen Ereignissen zusammensetzt. Darüber hinaus sind auch verschiedene Wechselwirkungen der akustischen Wahrnehmung mit anderen Sinnesreizen und diverse kontextuelle Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Daher sind für die Gestaltung von Hörerlebnissen möglichst ganzheitliche Konzepte erforderlich, die sich in mehrfach durchlaufenen zyklischen Designprozessen den definierten Gestaltungszielen sukzessive annähern.
Visuelle Sinnesreize geben vor allem über Oberflächen von statischen Objekten sehr präzise Aufschluss. Die flüchtigen akustischen Ereignisse sind hingegen immer eine Folge von dynamischen Veränderungen, deren Eigenschaften sich in den resultierenden Klängen und Geräuschen genauso widerspiegeln, wie die materielle Beschaffenheit der an den auslösenden Prozessen beteiligten Objekte. Aus diesem Grund lassen Hörerlebnisse vielfältige Rückschlüsse auf die Qualität von dynamischen Prozessen und den daran beteiligten Objekten zu, weshalb Audiodesign langsam aber stetig in Wirtschaft und Gesellschaft an Bedeutung gewinnt.
Der Vortrag geht zunächst auf die theoretischen Grundlagen von Audiodesign ein und erläutert in weitere Folge verschiedene praktische Anwendungsszenarien anhand von Fallbeispielen.

Hannes Raffaseder ist als Komponist und Medienkünstler international tätig. Er war Kurator des Klangturms St. Pölten und Mitorganisator des KomponistInnenforums Mittersill sowie des CD-Labels einklang-records. Seit 2004 ist Raffaseder an der Fachhochschule St. Pölten in Lehre und Forschung tätig. In mehreren Forschungsprojekten beschäftigte er sich vor allem mit den Besonderheiten der akustischen Wahrnehmung und den Funktionen, Wirkungen und Bedeutungen von Sound in den Medien. Die zweite Auflage seines Fachbuchs Audiodesign ist 2010 bei Hanser erschienen. Seit 2010 ist Raffaseder in verschiedenen Bereichen der Hochschulentwicklung engagiert. Als Mitglied des Hochschulmanagements ist er derzeit für Forschung, Wissenstransfer und Internationalisierung verantwortlich.

www.raffaseder.com


Kaffeepause

16:30-17:15 Uhr | Thomas Görne, Hamburg
Zur Dinghaftigkeit der Klänge und den Wechselwirkungen visueller und auditiver Objekte. Sounddesign im Film
Abstract und Bio

Mit der Erfindung des Tonfilms Ende der 1920er Jahre wird aus dem üblicherweise mit Musik begleiteten visuellen Medium ein audio-visuelles Medium – auch wenn in den ersten Jahrzehnten des neuen Mediums die Tongestaltung noch in der ästhetischen Tradition des Stummfilms gefangen bleibt.
Doch Klang hat die Macht, die filmische Welt jenseits des Sichtbaren zu öffnen, Dinge jenseits des Filmbildes zu kommunizieren. Balász notiert 1949 eine wesentliche kreative Option des Tonfilms: „Den Raum hören, ohne ihn sehen zu müssen“. Klang kann Raum schaffen: explizit durch Objekte die einen physikalischen Raum aufspannen, implizit durch Rückwürfe von Begrenzungsflächen die wir als architektonischen Raum wahrnehmen, metaphorisch durch die räumlichen Metaphern von Höhe, Tiefe, Größe, Volumen. Darüber hinaus kann der Ton im Sinne Böhmes Atmosphären erschaffen, und er kann die filmische Welt durch die metaphorischen Eigenschaften der sie bevölkernden Klangobjekte bedeutungsvoll machen.
Der Vortrag untersucht die Möglichkeiten, mit Klang im audiovisuellen Medium zu kommunizieren, beginnend bei der Dinghaftigkeit des wahrgenommenen Klangs über die Wahrnehmungsmetaphern bis zu den Wechselwirkungen von Klang und Bild.

Thomas Görne arbeitete nach seinem Studium der Elektrotechnik und Akustik als freiberuflicher Filmtonmeister. An der Universität Potsdam war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in Forschungsprojekten zu Musikalischer Akustik.
2004-2008 war er Professor für Theorie der Musikübertragung an der Detmolder Hochschule für Musik.
Seit 2008 ist er Professor für Audiodesign und Leiter des Tonlabors an der HAW Hamburg, und er verantwortet seit 2015 das jährliche künstlerisch-wissenschaftliche Symposium „klingt gut“.
Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen „Mikrofone in Theorie und Praxis“ (Elektor 1994), „Tontechnik“ (Hanser 2006) und „Sounddesign: Klang Wahrnehmung Emotion“ (Hanser 2017).


17:15-18 Uhr | Immanuel Brockhaus, Bern
Kultsounds. Die Sound- und Designarchitektur des DX 7 Synthesizers

18:00-19:00 Uhr DX 7 – praktische Erkundungen am Gerät

Abstract und Bio

Nicht nur der neuartige Sound des 1983 erschienenen Yamaha DX 7 Synthesizers, sondern auch das futuristisch reduzierte user design gelten bis heute als Meilenstein der Instrumentenentwicklung.
Dieser Beitrag begibt sich auf die Spuren des Komponisten John Chowning und dem Konzernriesen Yamaha. Chowning erfand die FM Synthese bereits Mitte der 1960er Jahre, erst Ende der 1970er Jahre wurde jedoch über Umwege mit dem Lizenzerwerber Yamaha ein Produkt entwickelt, das die Keyboardwelt um ein innovatives Instrument bereicherte.
Der DX 7 wurde clever verkauft, jedoch kontrovers aufgenommen. Der vielfach als steril empfundene Sound und die umständliche Bedienung führten zu lebhaften Diskussionen. Basierend auf festgelegten Algorithmen musste sich der User durch komplizierte Menus kämpfen und der Beruf des Sounddesigners, der Presets für den DX lieferte, florierte.
Dennoch wurde vor allem der E-Piano Sound des DX 7 zum Kultsound der 1980er Jahre, der die Charts dominierte. Phil Collins, Whitney Houston, Chicago und zahlreiche andere Künstler erkannten schnell den kommerziellen Faktor des Klanges und platzierten ihn als signature sound in jeder zweiten Pop Ballade. Aber auch andere Sounds, allen voran die harten, metallischen Bässe fanden Anklang bei Synthpop Bands. Der DX 7 war in dieser Zeit state of the art und gehörte zu jedem Bühnen und Studioequipment. Dem Design der ersten Modelle folgte eine grosse Produktreihe mit Drum Machines und Sound Modulen, die Yamaha viel Erfolg einbrachte.
Kann man die Entwicklung des DX 7 mit den Strukturen des Bauhaus vergleichen? Wie haben die Akteure bei der Entstehung des Gerätes gewirkt? Welche Netzwerke sind dabei entstanden?
Im Anschluss an den Beitrag besteht die Möglichkeit, einige Originalinstrumente aus der DX 7 Reihe zu testen.

Publikation: Kultsounds – Die prägendsten Klänge der Popmusik 1960-2014, transcript 2017
www.cult-sounds.com

Immanuel Brockhaus (Dr. phil.) ist ein deutscher Jazzmusiker, Komponist, Musikpädagoge und Wissenschaftler an der Hochschule der Künste Bern. 2010 veröffentlichte er mit „Inside The Cut“ (Transcript) einen Forschungsbeitrag zum Thema digitale Schnitttechniken in populärer Musik. Seine vom schweizerischen Nationalfonds unterstützte Dissertation „Kultsounds – Untersuchung zur Entstehung, Praxis und Wirkung dominierender Einzelklänge in populärer Musik 1960–2014, findet aktuell eine Fortsetzung in einer geplanten internationalen Wanderausstellung.

http://www.hkb-interpretation.ch/projekte/kultsounds.html

www.immanuelbrockhaus.com

www.cult-sounds.com






Samstag, 21. September 2019

9:00-9:45 Uhr | Natascha Meuser, Dessau/Berlin
Architekturvermittlung einmal anders. Kriminalgeschichten aus einer Bauhaus-Siedlung
Abstract und Bio

Architekturvermittlung lebt vom Bild. Wenn Einzelheiten eines Raumes oder einer Szenerie unsere Sinne ansprechen, erzeugen sie eine Erfahrung, die zu Verständnis führt. „Sehen“ lernen bedeutet in diesem Fall meistens „verstehen“. Jeder Raum ist voller Details, die sich dem geistigen Auge einbrennen und einen Eindruck hinterlassen. Im Rahmen der Tagung stelle ich ein Studienprojekt vor, dass sich der Architekturvermittlung in erzählerischer Weise nähert. Studierende beschreiben aus einem völlig anderen Blickwinkel Architektur. Sie werfen einen Blick hinter die unschuldig-weißen Fassaden der weltberühmten Bauhaus-Siedlung in Dessau. Erzählt werden skurrile Geschichten über mysteriöse Verstrickungen, düstere Geheimnisse und verhängnisvolle Schuld – im Rahmen einer von ihnen geschaffenen fiktionalen Darstellung. Die Kriminalgeschichten setzen die von Walter Gropius 1926 –1928 entworfene Reihenhaussiedlung Törten in ein völlig neues Licht. In den unterhaltsamen Geschichten erfährt der Leser Hintergründe, wird Augenzeuge und begleitet fotografisch genau die Täter im Reihenhaus.
Schwerpunkt von Forschung und Lehre im Fachgebiet Innenraumplanung ist die Bauprinzipienforschung in Weiterführung und Wiederaufnahme des Schemas zum Aufbau der Bauhaus-Lehre. Walter Gropius entwickelte die Lehrprinzipien bereits 1922, noch bevor die Architektenausbildung in die Lehre aufgenommen wurde. Mit der Architekturlehre an der Dessauer Schule stelle ich ein Lehrkonzept vor, das den Referenzrahmen für die Architektenausbildung neu definiert. 100 Jahre Bauhaus heißt auch, neu darüber nachzudenken, was vom Bauhaus übrig geblieben ist beziehungsweise welche Impulse das Bauhaus für eine zukünftige Architektur auch heute noch setzen kann. Wie wollen wir morgen wohnen? Gropius’ Lehre ins 21. Jahrhundert zu übertragen bedeutet, sie den gegenwärtigen Rahmenbedingungen anzupassen. Es gibt drei Einflussfaktoren, die unser Leben in den vergangenen 20 Jahren radikal verändert haben: Globalisierung, Digitalisierung, Ressourcenschonung. Daher habe ich mir in meiner Lehre zum Ziel gesetzt, den Studierenden innerhalb dieses Referenzrahmens fünf sehr allgemeine und doch klare Kernkompentenzen zu vermitteln: Zeichnen, Wahrnehmen, Bewahren, Bewerten und Vermarkten – bezogen auf die Kenntnisbereiche Gestaltung und Inszenierung, Konstruktion und Technik, Geschichte und Theorie.

Jg. 1967, Professorin für Innenraumplanung an der Hochschule Anhalt. Studium in Rosenheim und in Chicago am Illinois Institute of Technology. Promotion an der Technischen Universität Berlin. Zahlreiche Publikationen im Bereich Darstellungsmethodik, Bildungsbauten sowie bauhistorische Forschungen zum Thema Architektur und Zoologie.


9:45-10:30 Uhr | Caroline Fuchs, München
Klangwelten des Designs. Eine Museums-App erschließt den Sound von Designobjekten
Abstract und Bio

Die Töne von Designobjekten sind oftmals so charakteristisch wie ihre Form. Ausgehend von dieser Prämisse hat Die Neue Sammlung – The Design Museum eine Sound-App entwickelt, die die Geräusche von Objekten aus der Ausstellung den Besucherinnen und Besuchern zur Verfügung stellt. Als Designmuseum, das dezidiert der Moderne gewidmet ist und einen Sammlungsschwerpunkt im Produkt- und Industriedesign hat, widmet sich Die Neue Sammlung damit der Erschließung der akustischen Eigenschaften ihrer Objekte. Unter www.sound-of-design.de können zu insgesamt 49 Objekten jeweils bis zu 5 Geräusche abgerufen werden. Soundcollagen einzelner Jahrzehnte simulieren die Klangwelten, die den Alltag der jeweiligen Zeit prägten. Der Vortrag gibt Einblicke in die Entwicklung und die Erfahrungen mit der App sowie die Schlussfolgerungen, die das Museum aus der Auseinandersetzung mit den Tönen seiner Objekte gezogen hat.

Dr. Caroline Fuchs studierte Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in Tübingen, Manchester und Berlin. Nach einer Promotion mit einer Arbeit zur frühen Farbfotografie und Stationen an den Universitäten Wien und Zürich ist sie seit 2017 Konservatorin an der Neuen Sammlung – The Design Museum in der Pinakothek der Moderne in München.


Kaffeepause

11:00-11:45 Uhr | Holger Schulze, Kopenhagen
Sonic Labor. Aspekte einer Kulturtheorie des Sound Designs
Abstract und Bio

Das Sound Design des 21. Jahrhunderts ist Ergebnis projektbezogener Arbeit durch Prosumer (Toffler). Sie bilden eine Sonic Workforce, die unter einem doppelten Druck produziert: einerseits sind Sound Designer den Erfordernissen an Habitus und Selbstausbeutung unterworfen wie er in den sogenannten „Creative Industries“ erwartet wird – andererseits werden Sound Designer als Dienstleister verstanden für eine sich mehr und mehr in allen bereichn des Lebens festsetzende Überwachungsgesellschaft. Diese Sonic Labor erfindet und konfektioniert das Sound Design, das im öffentlichen Nahverkehr, an Bankautomaten, am Arbeits- und Studienplatz, bei medizinischer Versorgung und nahzeu jedem einzelnen der vielen täglichen Konsumakte seine Nutzerinnen und Nutzer begleitet. In diesem Beitrag werden einerseits anhand verschiedener Fallbeispiele die faktischen Arbeitsbedingungen unter den Bedingungen von Sonic Labor dargestellt – und andererseits Interpretationsansätze vorgeschlagen zum Verständnis der Verankerung von Sound Design in gesellschaftlichen Zusammenhängen und politischen Entwicklungen der Gegenwart und nahen Zukunft.

 

Holger Schulze ist Professor für Musikwissenschaft an der Universität Kopenhagen und leitet dort das Sound Studies Lab. Er ist als Kurator für das Haus der Kulturen der Welt Berlin tätig sowie Herausgeber der Buchreihe Sound Studies. Er arbeitet zur Kulturgeschichte der Sinne, zum Klang in der Popkultur sowie zur Anthropologie der Medien. Gastprofessuren übernahm er an der Musashino Art University in Tokyo, der University of New South Wales in Sydney und der Humboldt-Universität zu Berlin. Er schreibt für den Merkur, Seismograf, Neue Zeitschrift für Musik, Positionen. Buchveröffentlichungen: Sound as Popular Culture (2016, ed.), The Sonic Persona (2018), Sound Works (2019).

 


11:45 Uhr | Klangkunst. Gestaltungsprozesse zwischen Ästhetik und Funktionalität
Podiumsdiskussion mit Carolin Höfler (Köln), Robin Minard (Weimar), Kirsten Reese (Berlin), Holger Schulze (Kopenhagen)
Abstract

Kunst, Handwerk und Design in ein für alle Seiten produktives Verhältnis zueinander zu bringen, war das zentrale Anliegen des Bauhausgründers Walter Gropius. Denn Kunst erzielt ihre ästhetischen Wirkungen mit Strategien, die oftmals der handwerklichen und funktionalen Gestaltung entlehnt sind, und umgekehrt besitzen Handwerk und Design eine ästhetische Dimension, die eine bloße Funktionalität übersteigt. Klangkunst knüpft oftmals an alltäglichen Klangwelten an, reflektiert und übersteigt diese jedoch mit ästhetischen Mitteln und kann dadurch mitunter neue Möglichkeiten für die Klanggestaltung in Design und Architektur eröffnen. Die Podiumsdiskussion fragt nach dieser Wechselbeziehung zwischen künstlerischer Arbeit in der Klangkunst und der Tätigkeit von Klangdesignern unterschiedlicher Ausrichtung. Welche künstlerischen Strategien knüpfen an eine funktionale Klanggestaltung an und auf welche Weise führen sie über diese hinaus? Wie verändern künstlerisch gestaltete Klangwelten unsere Weltwahrnehmung? Wie können umgekehrt künstlerische Strategien von Klangdesignern für Gestaltungsprozesse unserer Alltagswelt genutzt werden? Schließlich soll das Podium einen Diskurs anstoßen, der einerseits nach den Anknüpfungspunkten an die Ideen von Gropius sucht und andererseits aufzeigt, auf welche Weise grundlegende Konzepte des Bauhauses in auditiver Hinsicht erst in der neueren Zeit umgesetzt werden und möglicherweise zukünftige Gestaltungspraktiken prägen können.